Marienborn (detail):  Fountain Sculpture;  Readymade with water and LED light;  sculptured with Expoxy ; ca. 104 cm × 44 cm × 44 cm

 

Marienborn (detail):  Fountain Sculpture;  Readymade – Water, LED light; sculptured with Expoxy ; ca. 104 cm × 44 cm × 44 cm

The sculpture was produced for the exhibition Operation Grenze (May 21th – June 30th, 2017) at Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.

In his sculpture Marienborn, Joachim Blank refers directly to Marienborn, which is situated in the shadow of the border area. The former checkpoint as well as today’s memorial site is named after this place. The name goes back to the legend of a Marian apparition in the 12th century. Even today, Marienborn is a well-known Christian place of pilgrimage. Joachim Blank is interested in the mixing of physical phenomena, their symbols, interpretations and attributions – historical narrative is connected with physically visible artefacts. The resulting transformations and surprises, the minglingof facts and “postfacts” again create new realities. Joachim Blank’s fountain sculpture adds a new narrative to the mixture of history and stories


Marienborn ist der Name eines Ortes in Sachsen-Anhalt in Ostdeutschland und bezeichnet zugleich den ehemaligen innerdeutschen Grenzübergang zwischen Magdeburg und Helmstedt. Die Namensbildung ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern „Maria“ und „Born“. „Born“ ist eine historisierend-poetische Bezeichnung für einen Brunnen. Der Ort heisst Marienborn, weil dort um das 10. Jahrhundert ein Hirte eine Marienerscheinung hatte. Eine Marienstatue fiel vom Himmel und es entsprang Ende des 12. Jahrhunderts eine Wasserquelle mit heilender Wirkung. Deshalb ist Marienborn auch heute ein bekannter, christlicher Wallfahrtsort in Deutschland.

In 1872 wurde in Marienborn ein Bahnhof gebaut und wurde wiederum zum Namensgeber des innerdeutschen Grenzübergangs: der Transitstrecke zwischen West-Deutschland und West-Berlin durch die DDR. Obwohl die 1937 vom NS-Regime gebaute Bundesautobahn A2 näher am am Ort Harbke liegt wurde Marienborn zum Namensgeber für den Grenzübergang. Mich interessiert, ob dies ein Zufall oder eine bewusste politische Entscheidung der DDR-Regierung, den christlichen Wallfahrtsort Marienborn umzuwerten, und ihm mit der Namensgebung eine quasi-religiöse Dimension zu verleihen?

Nach dem Fall der Mauer ab 1989 und einigen Jahren des Verfalls wurde aus der ehemaligen innerdeutschen Grenzübergangsstelle die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, einem Museum für deutsche Erinnerungskultur im Bundesland Sachsen-Anhalt. Instandhaltungsmaßnahmen und Restaurierungen des baulichen Bestands des Areals in Verbindung mit einem museumspädagogischen Dienst vermitteln nun die Geschichte des Ortes als ein Zeugnis der deutschen Teilung.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird mit dem Namen Marienborn meist die ehemalige Grenzstelle und weniger die viel ältere Wallfahrtsort verbunden. Die unterschiedlichen Erzählungen über Marienborn konkurrieren in gewisser Weise um die öffentliche Aufmerksamkeit und den Tourismus: hier der idyllische Wallfahrtsort mit Quelle, Kapelle, Pantheon und Kloster und dort die Brutalismusarchitektur der DDR-Moderne. Die Gegensätze beider Orte, ihrer Mythen und Legenden könnten unterschiedlicher nicht sein und stehen sich bis heute unversöhnlich gegenüber.  So widersprüchlich das klingen mag, diese Differenz bildet zugleich eine starke Gemeinsamkeit: Beide Orte verbindet eine historische, zum Teil spektakuläre, architektonische, räumliche Beschaffenheit in Verbindung mit den Erzählungen über ihre historische Genese – in beiden Fällen auch eine fruchtbare Grundlage für sagenumwobene Erzählungen und Legendenbildungen.

In meiner Arbeit Marienborn interessiert mich die Vermischung von physischen Erscheinungsformen, ihrer Symboliken, Deutungen und Zuschreibungen. Alles Historische wird linear erzählt und geht in der Wahrnehmung der Betrachtenden eine Verbindung mit den physisch sichtbaren Artefakten ein. Daraus entstehen Überformungen und Überschreibungen. Die Vermischung von Fakten und „Postfakten“, sowohl in materieller als auch immaterieller Hinsicht, bilden zwangsläufig wieder neue Fakten (Realitäten). In dieser Folge wird nun mit meiner Brunnenskulptur, durch eine skulpturale Überschreibung eines ready mades, eine weitere Erzählung zu Marienborn hinzugefügt.